Abenteuerlust

Nur wenige kennen diesen Außenposten im Hinterhof der Karibik. Zu Unrecht, denn in diesem, seit 1981 unabhängigen, britischen Kolonialrelikt gibt es jede Menge unberührter Natur : Tausend Jahre alte Mayaruinen, aber auch das zweitgrößte Barrier-Riff der Welt und zwei von drei Atollen im Atlantik. Zusammen mit den Bay Islands von Honduras ist das Revier der Nordwest-Karibik ein Paradies für Segler. Wer sich auf überfüllten Ankerplätzen wohl fühlt, wird hier nicht glücklich werden, aber jene, für die Segeln ein Abenteuer geblieben ist, werden es hier finden. Zum Wachwechsel wecken mich schlagende Segel. Der Nordost, dem die "Now or Never" auf Steuerbord liegend gerade noch direkten Kurs auf die Bay Islands von Honduras abtrotzen konnte, hat gedreht. "Auf diesem Schiff ist keiner zum Zuschauen verdammt", versichert mir Rudolf, als ich das Ruder übernehme - wir setzen Segel, steuern und gehen beim Nachttörn unsere Wachen.

Pirateninseln

Wir räkeln uns in Coxen Hole, Roatans Einklarierungshafen, auf der Aussichtsveranda und kühlen unsere Kehlen in der Mittagshitze, während Rudolf und Genève sich schwitzend bei den Behörden in Geduld üben dürfen.
"Was für ein Gegensatz." Mitseglerin Steffi denkt wohl an den French Harbour Yacht Club, auf dessen Veranda sie gestern abend ihre Pina Colada getrunken hatte. Heute breitet sich unter uns kein gepflegter Rasen aus, sondern Coxen Hole´s staubige Hauptstraße, durch die sich träges Leben schiebt. Wohl nicht anders als zu Zeiten von "Blackbeard" Edward Teach, dem berühmtesten Piraten der Karibik, der unweit von hier in Port Royal eines seiner "Holes" hatte. Obwohl die britischen Pirateninseln schon 1859 im Tausch gegen Belize an Honduras gingen, ist hier Spanisch immer noch die zweite Sprache.

Wer etwas auf sich hält, spricht Englisch; er wird auch nicht behaupten, auf den Islas de la Bahia zu leben, denn für ihn sind sie immer noch die Bay Islands. Seit Kolumbus, der auf seiner vierten Reise entlang der Moskitoküste gegen Strom und Wind ankämpfen mußte, weiß jeder Segler in den Bay Islands, daß er ostwärts vom Passat eins auf die Nase bekommen kann. Bei uns dagegen heißt das Kommando: "Fier auf die Schoten !" Und schon rauschen wir mit Westwind, den uns ein Sturmtief über Alabama beschert, ostwärts nach Guanaja, dem Klein-Venedig der Karibik. Vor Moskitos und Sandfliegen waren die Insulaner auf die Inseln vor der Küste geflohen und hatten dort ihre Häuser auf Pfähle gebaut. Heute ist Bonacca ein von Uncle Sam´s Konsumideologie nur wenig verdorbenes Kleinod in der Karibik.